Für den Sieg einer Quizsendung gibt Stripper sein letztes Hemd – Eine Reportage

Die großen Studioscheinwerfer sind auf den jungen Mann gerichtet, der Raum perfekt ausgeleuchtet. Langsam geht er einige Schritte zurück und knöpft sich langsam das enge, rote Hemd auf, zieht es aus und wedelt damit über seinem Kopf. Das Studiopublikum brüllt und feuert ihn an. Andreas Schneider strahlt sein perfektes Lächeln in die Kameras, die Haare glänzen von etwas viel Haargel. Der junge Mann genießt seinen großen Auftritt vor den Kameras sichtlich. Die spontane Tanzeinlage in der neuen Quizshow ist das Ergebnis eines Erfolges, den wohl nur wenige dem Stripper aus Hamburg zugetraut hätten. Stripper teacher

Nur wenige Stunde vorher tritt der durchtrainierte Mann durch die große, gläserne Eingangstüre der Fernsehstudios Berlin Adlershof. Zwei freundliche Hostessen nehmen ihn in Empfang und führen ihn in den Kandidatenbereich im zweiten Stock. „Na, schon aufgeregt?“ begrüßen zwei Redakteure mit Head-Set den jungen Mann und führen ihn und seine Begleitung in die Garderobe. „Wird schon schiefgehen“, sagt der 35-Jährige locker und lacht. Dass er in den vergangenen Wochen viele Stunden paukte, unterschlägt er. „Sogar in der Saune und auf dem Laufband habe ich gelernt. Beim Sport habe ich mir Hörbücher angehört, ich wollte zur Sendung topfit sein – auch im Kopf“, erzählt er und lacht. Andreas hat sich für diesen Tag viel vorgenommen: Für die Teilnahme der Sendung, der „härtesten Quizshow Deutschlands“, ist der Sieger diverser Modelcontests extra nach Berlin gereist. Wer den Titel und damit 500.000 Euro gewinnen möchte, muss einige Hürden überwinden. Jeder Kandidat, so auch Andi, tritt in fünf Kategorien gegen einen Experten an. Nur wer alle Experten im Quiz besiegt, kommt in das begehrte Finale und spielt um eine halbe Millionen Euro.

„Wer war in der ersten großen Koalition Vizekanzler?“ Der Moderator stellt Andreas, der in Berlin geboren wurde, die erste Frage. Irgendwie hangelt der sich durch die möglichen Kandidaten und erklärt am Ende – auch mit viel Hilfe des Moderators und des Publikums stolz: „ Willy Brandt.“ Die erste Frage hat er   gemeistert. Warum er überhaupt bei der Sendung ist und als „Quotenstripper“ auftritt? „Ich will beweisen, dass ich es  nicht nur in den Armen, sondern auch im Köpfchen haben“, sagt er selbstbewusst. Schneider verdient sein Geld als Tänzer und Choreograf in einer Tanzbar auf der großen Freiheit, zu der nur Frauen Zutritt haben. Weiter geht es: „In welchem Land liegt der Aconcagua, der höchste Berg Südamerikas?“ Per Ausschlussprinzip rät sich Andreas zur richtigen Lösung: Argentinien.

Schließlich steht die Kategorie „Literatur“ auf dem Plan. Es kommt zu einem ungewöhnlichen Duell: Der Stripper vom Kiez gegen den Literaturprofessor. Der gelernte Restaurantfachmann ist für den Experten scheinbar leicht gefundenes Fressen. Welcher Schriftsteller schrieb den Roman Dr. Schiwago? Wie heißt das erste Buch Mose? Wie heißt der Gänserich auf dessen Rücken Nils Holgersson mitfliegt? Auch Experte Karasek hat bei einigen Fragen seine Probleme. Beispielsweise denkt er bei den Protagonisten „Hermine“ und „Harry“ zuerst an Harry Potter, nicht an Hesses Steppenwolf. Ups. Auch ein Literaturprofessor hat wohl seine blonden Momente. Gut für Sascha, der damit im Spiel bleibt. Er schlägt sich wacker, nach der zehnten Frage dann das Unfassbare: Andreas Schneider gleicht aus und erzwingt die Stichfrage, die alles entscheidet. Das weiß auch Andi. „In dem Moment habe ich echt geglaubt und mir gesagt, dass alles möglich ist“, erzählt der 36-Jährige. „Ausgerechnet im Bereich Literatur! Mir ging der Arsch auf Grundeis.“ Der junge Mann weiß: jetzt kommt es auf Sekunden an, er muss schnell sein, um vor dem Experten Karasek auf den Buzzer zu drücken.

„Als der Moderator dann die Frage vorlas, habe ich gar nicht überlegt. Ich habe direkt gebuzzert“, erinnert sich Schneider. Die Frage, die alles entscheidet: „Was gilt als das am häufigsten übersetzte Buch der Welt?“ Andi darf zuerst antworten und bleibt cool als er antwortet: „Die Bibel!“
Das Raunen, das durch das Studio geht, verebbt schnell und weicht dem tosenden Applaus des Publikums. Der Moderator stutzt, kann es nicht fassen und sogar der geschlagene Karasek muss ein wenig lächeln. „Er meinte hinterher scherzhaft, ich könne mich ja jetzt Literatur-Gott nennen. Einen göttlichen Körper hätte ich ja schon“, sagt Andi. Und den durften die Zuschauer anschließend auch bewundern – bei einem Oben-ohne-Strip. „Ich bin der Erste, der im Öffentlich-Rechtlichen zur besten Sendezeit aufgefordert wurde, sich auszuziehen. Das lass ich mir nicht entgehen!“ Ein toller Tag für den Stripper,  doch ganz so glücklich geht der Abend nicht vorüber: Im Finale ist der Waschbrettbauch nicht mehr dabei. Wie man junge Wildschweine, die zwischen ein und zwei Jahre alt sind, nennt, wird er so schnell nicht vergessen. An dieser Frage scheitert er gegen den Tierfilmer Dirk Steffens aus.

Werbung