Geboren Mitte der 80er, wuchs ich in dem Grundverständnis auf, dass der 1.FC Köln mit Abstand der beste Verein Deutschlands ist. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass ich die guten Jahre ja nur knapp verpasst hatte.
Gut, einige Vereine wie die Bayern hatten in den letzten Jahren einen ganz guten Lauf, aber langfristig kommt sowieso niemand an die Erfolge des ruhmreichen 1. FC Köln ran. Dieser traditionsreiche Verein, der liebenswerte Jeck, der das malerische Geißbockheim am Decksteiner Weiher sein Zuhause nennt, drei Meisterschaften gewonnen hat und vier mal den DFB-Pokal holte, macht uns stolz. Der FC gehört zu Köln, wie der Rhein oder der Dom. Es liegt in der Natur der Sache (hier die Großartigkeit des Effzehs), dass sich alle anderen Vereine hinten anstellen müssen.
Der jähe Fall
Als wir dann 1998 zum ersten mal abstiegen, hörte sich für mich die Welt kurzzeitig auf zu drehen. Mieser Reality-Check. Wir waren gar nicht unabsteigbar! Dieser unfassbare Schmerz. Fußball tat auf einmal weh. Welche Lügen hatte man mir denn noch aufgetischt, die ich in kindlicher Naivität ungeprüft als Lebensweisheiten übernommen hatte? Als der Abstieg besiegelt war, konnte man im Stadion, ach was, in der gesamten Stadt die Herzen der FC-Fans brechen hören. So auch meins . Die Welt war danach einfach nicht mehr dieselbe. Ich brauche erst einmal eine Pause vom Fußball, denn was da gerade passiert war, stellte alles auf den Kopf. Ein bisschen ist das noch heute so bei mir: wenn der Effzeh am Wochenende mies spielt, dann meide ich montags den Sportteil der Zeitung sowie die Sportbeiträge im Moma, das ich sonst gern schaue um mich auf den Job vorzubereiten.
Nach dem ersten Abstieg folgten viele Jahre des Schmerzes. Des Auf- und Abstieges. Mit einer desaströsen Außendarstellung, aber auch internen Fehlentscheidungen und unrealistischen Zielen verkamen wir für den Rest der Liga zum „Karnevalsverein“. (Wobei ich betonen möchte, dass dieses Prädikat keineswegs eine Beleidigung ist – es kommt immer drauf an, wer es sagt. Kommt diese Bezeichnung von einem Kölner selbst, ist es eine normale Bezeichnung. Der Rest Deutschlands benutzt diesen Begriff abwertend). Das Team, das heute die Geschicke des Vereins leitet, macht Mut. und Hoffnung. Dort sind kompetente Menschen am Werk, die völlig unaufgeregt an die Sache gehen und den FC wieder in ruhigere Fahrwasser gebracht haben. Dafür bin ich sehr dankbar.
Schmerzhafte Jahre
Die Lokalpresse berichtete über peinliche Geschichten, die keine waren, es gab einen Liveticker über die Daum-Verhandlungen, von ominösen Trikotsponsoren ganz zu schweigen. Der Rest ist Geschichte. „Die Kölner sind verrückt nach dem FC“, heißt es. „Man kann in Köln nicht richtig arbeiten, weil die Kölner ihren Verein erdrücken“, heißt es.
Ich denke eher, dass der Kölner an sich so leid geprüft ist, dass er immer das Gefühl hat, selbst ein Auge auf den FC werfen zu müssen. Wir wollen wissen, was da am GBH los ist, denn zu oft drangen in den letzten Jahren die wundersamsten Geschichten aus Sülz in die Welt, die sich als wahr herausstellen. (Es war so schlimm, dass ich vor einigen Jahren eines Scherzmeldung, die besagte, dass Lothar Matthäus Chef-Trainer wird, aber mit dpa-Briefkopf versehen war, im ersten Moment für wahr hielt. Soweit ist es gekommen, dass ich DAS dem FC zutrauen würde.) Wir wollen einfach auf diesen „dreckigen Jeck“ aufpassen, denn er liegt uns eben sehr am Herzen.
Einer von uns
Vielleicht ist so ähnlich auch das Phänomen Lukas Podolski so zu erklären: Da kam ein Junge aus Bergheim, der sich durch die Jugendmannschaften spielte und von dort sogar den Sprung in den Profikader schaffte. Die Profitruppe bestand damals auch aus einigen Söldnern, die mit dem FC herzlich wenig zu tun hatten, wenn man vom Gehaltsscheck absieht. Gerade deshalb fiel dieser Junge aus dem Rahmen, er spielte beherzt auf, schoss unfassbar schöne wie wichtige Tore und freute sich darüber genauso wie die Kurve. Würde Lukas nicht mit dem Geißbock auf der Brust auf dem Rasen stehen, er stünde auf der Süd und würde mit anfeuern. Er ist einer von uns. Und wir lieben ihn dafür. Was ist so schlimm daran? Lukas ist für den FC und die Fans nicht einfach nur ein normaler Spieler und der FC ist für Lukas nicht nur ein normaler Verein. Das findet man im heutigen Profifußball nicht oft. Der Junge hat Herz und das am richtigen Fleck. Und das erkennen wir an.