Über den angekündigten Derbyboykott der Kölner in Gladbach in der Rückrunde wurde im Vorfeld viel geschrieben, gestritten und diskutiert. Da es ein großes Thema in Köln war, wollten wir das Thema auch nach der Aktion angehen und haben für das Fanzine „Kölsch live“, das auch gleichzeitig die Mitgliederzeitschrift des Kölner Fan-Projekts ist, ein Pro/Contra geschrieben. Meine Aufgabenstellung: Ein Aufsatz mit dem Titel: „Darum bin ich nicht ins Stadion gegangen“. Erschienen im aktuellen Heft „Kölsch live“ (2/2016).
Oh, du geliebter Derbytag, wie lange habe ich auf dich gewartet! Da bist du endlich: der Spieltag der Spieltage! Sobald du terminiert wirst, bist du auch schon rot in meinem Kalender angestrichen. Doch nicht so in diesem Jahr. Wenig Vorfreude, keine Reisevorbereitungen, kein Stadionbesuch.
Dass Derby-Woche war, merkte ich eigentlich nur an der Berichterstattung, die sich immer wieder an den Vorfällen des letzten Jahres bedienten und ein Bedrohungsszenario malten. Bilder von vermummten Jungs in weißen Maleranzügen, rot/weiße Hassmasken verdecken Gesicht, Pyrotechnik in der Hand, dann dieser sinnfreie Platzsturm. Mächtige Bilder, die auch im Vorfeld dieses Spieles zahlreich gesendet und gedruckt wurden und Außenstehenden das Bild vermitteln, in deutschen Stadion gäbe es einen rechtsfreien Raum.
Keine leichte Entscheidung
Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, wirklich. Letztendlich habe ich mich bewusst dagegen entschieden: Ich habe in diesem Jahr den Weg in den Borussia-Park nicht angetreten. Und ich finde, ich habe die Mannschaft dabei nicht im Stich gelassen. Denn ich habe mit meiner Abwesenheit ein wichtiges Zeichen gesetzt – wie alle anderen, die die bittere Pille(n) in Form von DFB-Auflagen nicht um jeden Preis schlucken wollen, auch. Dass man uns Fans mit so einem Derby besonders trifft, weiß man auch beim DFB und man nutzt das für seine Zwecke aus. Doch ich freue mich über jeden Platz, der im Gästeblock bei der Begegnung leer blieb.
Liebstes Sanktionsmittel des DFB sind die guten alten Kollektivstrafen, um das Verhalten einiger weniger zu bestrafen. Ich halte die Philosophie des DFB, die bei Fan-Fehlverhalten auf drakonische Kollektivstrafen setzt, für wenig hilfreich. Mit den verhängten Maßnahmen wird ein völlig falsches Bild geschaffen und jeder (Gäste)Fan pauschal als (Sicherheits)problem betrachtet. Wenn Leverkusen Cheftrainer den Schiedsrichter anpöbelt, bekommt er eine Strafe und nicht alle Cheftrainer werden des Stadions verwiesen. Das würde ja auch keinen Sinn machen, warum dann aber bei Fan-Fehlverhalten?
Mehr Drehkreuze und keine Fahnen
Dieses unsägliche Spiel vor einem Jahr in Gladbach kostete uns nicht nur einen empfindlich hohen Geldbetrag, auch neue Sicherheitsauflagen musste der FC erfüllen. So sollten beispielsweise mehr Drehkreuze in Köln angebracht werden. (Häh? Was hat die Anzahl der Drehkreuze in Müngersdorf mit dem Platzsturm in Gladbach zu tun?) Es kam zu einem Zuschauer-Teilausschuss und personalisierte Auswärtstickets für den Rest der Saison sowie komplettes Materialverbot für FC-Auswärtsfans.
Derby ohne Fans ist wie Pizza ohne Tomatensoße
Ein Derby ohne Gästefans ist wie Pizza ohne Tomatensoße. Oder so ähnlich. Zumindest fehlt der Biss. Vielleicht ist dann doch das Bild von zerkochten Nudeln passender. Dass was fehlt, weiß man, wenn man das schon mal im Stadion erlebt hat, wenn man auf dem Platz steht und auch wenn man beim DFB in Frankfurt arbeitet. Die prominentesten Sicherheitsauflagen für das Derby waren personalisierte Karten für Gästefans und die Reduzierung des Auswärtskontingentes. Doch diese DFB-Auflagen zielen komplett am Ziel vorbei. Warum, erkläre ich gern:
Welchen Nutzen erfüllen personalisierte Tickets, wenn die Polizei und der Ordnungsdienst in Gladbach nicht in der Lage waren, die Personalien der 20 Leute auf dem Platz festzustellen? Personalisierte Tickets haben eher den fahlen Beigeschmack, dass alle Auswärtsfahrer ein potentielles Sicherheitsrisiko darstellen.
Weniger Fans gleich mehr Sicherheit?
Von Seiten der Politik gibt es immer wieder Vorstöße, Gästekontingente zu reduzieren. Meist wird das Thema Sicherheit vorgeschoben. Dass weniger Fans nicht gleichbedeutend mit mehr Sicherheit und weniger Arbeit für die Polizei ist, beweist die Fan-Demo in Mönchengladbach: Nur weil man unlieb gewordene Fans aus dem Stadion verbannt (sei es durch eine Reduzierung der Karten oder hohe Eintrittspreise), sind sie…tada….noch da! Nur weil sie nicht im Stadion sind, lösen sie sich nicht in Luft auf. Ein anderer Aspekt ist, dass sich Gästefans – sollten sie keine Karten bekommen haben –einfach in den Heimbereich einkaufen. Auch dann heißt es für die Polizei: Alle Mann arbeiten und das an einem Spieltag.
Eine letzte, kleine Anmerkung: Im Vorfeld des Spiel, wurde oft das Stimmungs-Argument angeführt: Die abwesenden Fans würden mit ihrem egoistischen Verhalten der Mannschaft und so auch dem Verein schaden. Es ist ein unumstößlicher Fakt, dass diese Fans den FC teilweise seit vielen Jahren in jeden noch so entlegenen Winkel der Republik folgen, um die Mannschaft zu unterstützen, dann finde ich diesen Vorwurf doch eher frech.
Als in den letzten Heimspielen der vergangenen Saison die Blöcke S3 und S4 gesperrt wurden, wurde stets betont, was für eine tolle Stimmung doch im Stadion auch ohne die pauschal als „Krawallmacher“ abgestempelten aktiven Fans herrsche. Als sich dieselben Leute beim Hinspiel gegen Gladbach dazu freiwillig entschlossen, keinen organisierten Support im Stadion zu machen, wurde wieder geschrien, sie ließen den Verein im Stich. Das nennt man Doppelmoral.